21. August 2012

Mein Abschlussbericht - Ein Jahr Bolivien so schnell vorbei


Meine letzten beiden Monate in Sucre beginnen ereignisreich Anfang Juni mit dem sogenannten Ökologietreffen. Jährlich findet in Sucre ein großes Ökologietreffen statt, das von uns, dem Ökomuseum, veranstaltet wird. In diesem Jahr findet das Treffen vom 31. Mai bis zum 8. Juni unter dem Motto „Nachhaltige Energien für alle“ statt, denn das Jahr 2012 ist das „Internationale Jahr der nachhaltigen Energien für alle“.

Bei einem Protestmarsch gegen Müllverbrennungen zu hause


Dieses Treffen startet mit einer großen Kampagne am Weltnichtrauchertag,an dem wir Rauchern im Austausch für das Ausmachen einer Zigarette eine Topfpflanze schenkten. Am Folgetag wird dann das Ökologietreffen ganz offiziell mit der Vorführung mehrerer ökologischer Videos zur Erinnerung an das „Internationale Jahr der nachhaltigen Energien für alle“ und der mobilen Recycling- und Nachhaltigkeitsausstellung des Museums eröffnet. Am Samstagabend folgt dann für mich das absolute Highlight: das Theater der Blinden, für dessen Durchführung ich hauptverantwortlich bin. Diese eher spezielle Theaterform verlangte von den Besuchern, sich komplett auf ihre „Blindenführer“ (die Freiwilligen des Museums) zu verlassen. Zunächst werden den Besuchern die Augen verbunden und sie hören in nun kompletter Dunkelheit eine Geschichte: ein Großvater erzählt seiner Enkeltochter von seiner Zeit auf dem Land. Den Verlauf der Geschichte bekommen die Besucher am eigenen Leib zu spüren: mit Gerüchen, Wind, Regenschauern und anderen „Fühleffekten“. Das ist nicht nur für die Besucher eine eindrucksvolle (Natur-)Erfahrung, sondern macht auch uns, dem Freiwilligenteam, besonders viel Spaß.
Am Sonntag folgt dann die Ökologische Schnitzeljagd unter dem Titel „Die Erde lebt, wander für deine Umwelt“, bei der zahlreiche Teilnehmer in einem leicht bergigen Gebiet etwas außerhalb der Stadt eine ca. 5 Km lange Wanderroute gehen, wo ihnen an zahlreichen Stationen Fragen und Aufgaben von den Freiwilligen des Ökomuseums gestellt werden. Desweiteren folgen zahlreiche andere Workshops, Diskussionsforen, Märsche und Vorträge.
Bei diesen vielen Aktivitäten mit dabei zu sein bereitet mir viel Freude, denn es ist schön zu sehen, wie das Museum unter so viel öffentlicher Aufmerksamkeit förmlich aufblüht. Für mich ist es auch eine Möglichkeit zu erkennen, wie sehr ich an und in diesem Projekt gewachsen bin und wie sehr ich mich selbst einbringen kann.
In der Zeit nach dem Ökologietreffen wird es dann wieder ruhiger ums Museum, wobei ich einige Besuche der aus Deutschland geförderten „Pestalozzi“-Schule organisiere. Ich bereite eine Rallye durch das Institut vor, bei dem die Schülerklassen Antworten auf von mir gestellte Fragen mithilfe der im Institut ausgestellten konsumkritischen Ausstellung finden müssen.

Anfang Juli beginnen dann meine letzten „bolivianischen“ Ferien, in denen ich mal wieder entspannen kann, aber auch erste Einkäufe für meine Reise und die Zeit nach Bolivien in aller Seelenruhe erledige. Die größte Anschaffung ist dabei ein großer Koffer, die kleinste die vielen kleinen Mitbringsel für Familie und Freunde.

Das Abschiednehmen von meinem "neuen" Leben fällt mir schwer

Nach Ende der Ferien merke ich, dass meine Rückkehr nach Deutschland immer näher rückt.
Ybeth, die Direktorin des Instituts und damit meine Chefin, sowie die weiteren Mitarbeiter bereiten mir eine erste Abschiedsfeier mit Lagerfeuer und Glühwein im Innenhof des Instituts. Es folgt eine weitere harte Arbeitswoche mit einem wahren Abschiedsmarathon: ich verabschiede mich von einigen Freunden einzeln, von meiner Gastfamilie, dem Freiwilligenteam, meiner Tangogruppe und den „Masis“. Alles muss unter einen Hut gebracht werden. So viele Abschiedsfeiern in so kurzer Zeit ermüden mich ziemlich und machen mich gleichzeitig aber glücklich, weil es schön und wichtig für mich ist, mich bewusst von den Menschen zu verabschieden, die mir so sehr ins Herz gewachsen sind in diesem Jahr. Ich komme wenig zu Atem und kann dem Abschiedsschmerz damit kaum Raum lassen.

Nico und ich am Flughafen in Sucre

Nachdem beinahe alle Abschiede überstanden sind, erfolgt am Dienstag, dem 7. August der letzte von meiner Gastmutter Gaby und meinem Gastbruder Nico am Sucrenser Flughafen. Ich habe beide, aber insbesondere den kleinen Kerl sehr lieb gewonnen, sodass mir der Abschied schwer fällt.
Es folgt eine problemlose, aber sehr lange Reise. Nach dem Inlandsflug von Sucre nach Santa Cruz kommen Daria, Selma und ich Freitagnacht über die Zwischenstationen Asunción (Paraguay), Sao Paolo (Brasilien) und Paris endlich in Frankfurt an. Ich bin froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, denn meiner Ansicht nach sind wir Menschen zum Fliegen eigentlich nicht gemacht und Flugzeuge werden mir wohl immer suspekt bleiben. Am Flughafen werde ich dann sehr liebevoll und mit offenen Armen von meiner Familie empfangen.

Während ich nun diese Zeilen schreibe, ist schon etwas mehr als eine Woche vergangen, seit ich wieder nach Deutschland zurückgekehrt bin, und ich habe das Gefühl noch immer nicht ganz „hier“ zu sein. Ein Freund in Bolivien hat mir zum Abschied gesagt: „Der Körper fliegt schnell zurück, es ist die Seele die länger braucht“. Und wenn ich mich in unserem Garten umschaue und sehe all das Grün, die hohen Bäume, die gepflegten Häuser der Nachbarschaft, die makellos geteerten Straßen, und tief in mir drin spüre ich ein ganz leichtes Stechen, dann merke ich dass meine Seele wohl noch etwas brauchen wird, um vollends hier wieder anzukommen.

Zuallerletzt bleibt mir nur noch mich bei euch allen, liebe Unterstützer, Förderer und geduldige Leser für euer Interesse und eure Begleitung zu bedanken. Oft haben mir schon kleine Zeichen von euch Mut gemacht und mich unterstützt. Vielen Dank! Mit eurer Hilfe habe ich ein Jahr in Bolivien erlebt, das eine ungeheure Wirkungskraft auf mich ausübt und mit dem ich Erfahrungen gesammelt habe, die sehr wertvoll für mich sind. Ich wünsche euch für die Zukunft nur das Beste und verabschiede mich mit der Hoffnung, auch weiterhin von euch zu hören. Hasta pronto!